Aus den Mary Baker Eddy Papers: Frauen, die die Christliche Wissenschaft im amerikanischen Westen praktizierten
Weiter westwärts gründeten Sue Ella Bradshaw und Minnie B. Hall De Soto Lehrinstitute in Kalifornien und Colorado. Als Frauen wie diese versuchten, Eddys Anweisungen auf dem rauen Terrain des amerikanischen Westens umzusetzen, wurden sie mit einer Reihe von außergewöhnlichen Herausforderungen konfrontiert, die für ihr Geschlecht und das Leben im Grenzland typisch waren. Trotz dieser Schwierigkeiten – oder vielleicht gerade deswegen – brachten sowohl De Soto als auch Bradshaw die Lehren Eddys in den Westen. Ihre Briefe lassen uns erahnen, wie das Leben im Westen war, und sie lassen die Verheißung erkennen, die sie dort für die Einführung der Christlichen Wissenschaft sahen.
Im Februar 1886 schrieb De Soto an Eddy: „Wir hoffen, dass dies die Religion des Westens ist, und Denver wird zweifellos im Sturm erobert.“1 Zu dieser Zeit bereiste sie auch Colorado und Kalifornien, wo sie lehrte und heilte. Im August 1886 schrieb sie an Eddy:
Gerade habe ich vor meiner Klasse in Oakland die letzte Unterrichtsstunde in der Christlichen Wissenschaft gehalten, und ich bin sehr glücklich über ihr Verständnis. tatsächlich wären sie aus materieller Sicht sehr schwierige Schüler:innen gewesen, aber ich bin gut voran gekommen – Es sind – sehr gebildete Menschen, und sie haben mir mehr Fragen gestellt, als sie einem Hochschulprofessor stellen würden, aber die Antworten, die ich geben konnte, schienen wirklich wunderbar zu sein. …2
Drei Monate später schrieb sie einen weiteren Brief. „Jetzt habe ich eine höchst erfreuliche Klasse, bestehend aus 16 Personen – alles Ehepaare – in Greeley Colo“, berichtete sie. „Fast alle wurden von Mama geheilt. Greeley ist eine Stadt, bei deren Gründung ein Alkoholverbot erlassen wurde, und hier scheint es die standhaftesten Menschen zu geben – einfach gesagt – kaum ein Spiritist in der Stadt. …“3
De Sotos Briefe spiegeln ihre Eindrücke von den Menschen wider, die sie für besonders geeignet hielt, die Lehren der Christlichen Wissenschaft anzunehmen. Sie zeigen außerdem ihre wachsende Zuversicht, diese teilen zu können.
Bradshaw ihrerseits schrieb im Sommer 1886 an Eddy, als Antwort auf die Forderung nach Lehrinstituten der Christlichen Wissenschaft:
Im vergangenen Jahr erwarb ich ein Anwesen in San Jose für christlich-wissenschaftliche Zwecke, und wenn eine Schule gegründet werden könnte ohne sich über Schülerinnen und Schüler Gedanken machen zu müssen, so wäre dieser Teil schon bewerkstelligt. Wenn bekannt wird, dass ich unterrichten werde, so glaube ich, dass auch jene Schwierigkeit verschwinden wird. Ich habe mich in dieser Hinsicht bisher recht still verhalten. Aber nun sollte ich mich äußern können. … Ich würde mir wünschen in San Jose zu bleiben, wenn sie mich denn dort anhören wollen, denn meiner Ansicht nach ist es die wichtigste Stadt, die versprochene Stadt der Prophezeihung und der Verheißung, genannt das Athen Kaliforniens und die Gartenstadt, und viele halten dieses kleine Tal für ein irdisches Paradies …4
Wie wurde ihr Blick auf die Christliche Wissenschaft, auf die Gesellschaft im Westen und ihre Rolle darin durch die Zustände der damaligen Zeit geprägt? Noch immer wird darüber diskutiert, inwieweit das Leben auf dem Weg nach Westen und in den ersten Jahren im Grenzland die Rolle der Frau und ihren Platz in der Gesellschaft verändert hat. Eine Untersuchung der von Christlichen Wissenschaftlerinnen geleisteten Arbeit hilft jedoch, die Erweiterung der Geschlechterrollen im amerikanischen Westen des späten neunzehnten Jahrhunderts aufzuzeigen.
In Anlehnung an die Frontier-These des Historikers Frederick Jackson Turner, wonach die Besiedlung der rauen Grenzgebiete Amerikas für die Entwicklung einer einzigartigen Form der Demokratie in den Vereinigten Staaten von entscheidender Bedeutung war, betrachten Historiker, die sich mit Frauen im Westen befassen, die Region als besonders geeignet für einfachere demokratische Institutionen. Sie betonten die Grenze als einen Raum größerer politischer und wirtschaftlicher Freiheit für Frauen, wo sie zumindest teilweise frei von viktorianischen Geschlechterideologien agieren konnten. Andere kamen zu dem Schluss, dass es an der Grenze weniger Möglichkeiten für Frauen gab, und stellten stattdessen eine reaktionäre Rückkehr zum Gewohnten fest. Diese Gelehrten waren der Meinung, dass sich Frauen in Ermangelung von Strukturen und Vertrautem stärker an die viktorianische Vorstellung von „wahrer Weiblichkeit“ hielten, um ihren moralischen Einfluss zu bewahren.5
Insgesamt gesehen zeigen die Erfahrungen von Bradshaw und De Soto, wie nachhaltig die Macht des Grenzlandes die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung verändert hat. Beide Frauen arbeiteten daran, im Westen der USA christlich-wissenschaftliche Lehrinstitute einzurichten, indem sie Führungsrollen in ihrem Umfeld und in religiösen Organisationen besetzten und die neu erlangte Freiheit und den damit einhergehenden Einfluss in ihrer Eigenschaft als Frauen für sich nutzten. Das Gründen und Beaufsichtigen eines solchen Lehrinstituts schloss zahlreiche Aktivitäten ein, wie beispielsweise Hausverwaltung, das Verfassen von Texten, Werbung, Unterrichten und Heilen. Dies zeigt, wie sehr sich die Frauen in der Christlichen Wissenschaft für die Verbreitung ihrer Lehren einsetzten und gleichzeitig die neu erlangten Möglichkeiten nutzten, die sich ihrem Geschlecht boten.
Als Frau, die 1880 in San Jose, Kalifornien, lebte, war Bradshaw bereits eine Minderheit. In diesem Bundesstaat kamen damals zehn Männer auf sechs Frauen. In der Stadt, die sich von einem Handelsposten für Bergarbeiter zu einem landwirtschaftlichen Zentrum im Santa Clara Valley entwickelt hatte, existierten noch viele Überreste aus der Zeit des Goldrauschs. Bradshaw traf nach der Heirat ihrer Mutter im Jahr 1871 in San Jose ein. Nach Aufenthalten in Philadelphia, Chicago und Boston, wo sie Schülerin am Lehrinstitut für Metaphysik in Massachusetts gewesen war, kehrte sie zurück, um nun ihrerseits die Christliche Wissenschaft zu lehren. Auf Eddys Ermutigung, ein Lehrinstitut in Kalifornien zu eröffnen, antwortete sie 1886 und berichtete, dass sie bereits im Jahr zuvor ein Anwesen in San Jose erworben habe, wobei sie die Christliche Wissenschaft im Sinn gehabt hatte.6 Bradshaws Anwesen in der 189 South Second Street wurde bald zum Standort des Lehrinstituts für Metaphysik in Kalifornien, das 1886 gegründet wurde. Es inserierte im Christian Science Journal und bot die Aufnahme von Patientinnen und Patienten an, wie auch die „Möglichkeit, an der Pazifikküste einen Lehrgang über die Praxis des christlich-wissenschaftlichen Gemütsheilens“ zu besuchen. Sie lehrte und heilte danach noch jahrelang.
In Colorado traf De Soto (damals Minnie B. Hall) auf ähnliche Umstände. Wie in Kalifornien hatte die Entdeckung von Gold in Cripple Creek einen Zustrom von Männern ausgelöst, die sich in der Region niederließen. Durch den Anschluss an die transkontinentale Eisenbahn konnte die Stadt aufblühen und sich zu einem Zentrum für Viehhaltung und Bergbau entwickeln. Aufgrund dieser männlich dominierten Industriezweige zählte auch De Soto zu einer Minderheit, ähnlich, wie es bei Bradshaw der Fall gewesen war. Als Siedlerin der zweiten Generation, die von starken und unternehmungslustigen Eltern abstammte, war sie mit dem Grenzland und den damit verbundenen Herausforderungen wahrscheinlich besser vertraut als Bradshaw und konnte besser damit umgehen. Ihre Mutter, Mary Melissa Hall, war mit ihrem ersten Ehemann, Nathan Nye, im Zuge des Goldrausches nach Westen gezogen. Nye erwies sich jedoch als Alkoholiker, der seine Frau misshandelte und sie schließlich in einem Bergarbeiter-Lager sitzenließ. Während sie allein unter überwiegend männlichen Goldsuchern in einem Gebirgstal in Colorado lebte, pflegte sie zwei Männer wieder gesund, die wochenlang im Lager vermisst worden waren. Einer davon, Charles Hall, wurde schließlich ihr zweiter Ehemann und verdiente mit der Erschließung eines Salzbergwerks ein Vermögen. Im späteren Verlauf ihres Lebens erlitt Minni B. Hall eine lebensbedrohliche Fußverletzung und reiste nach Osten, um sich behandeln zu lassen. In Chicago wurde sie durch die Christliche Wissenschaft geheilt. Nachdem sie mit Ihren Töchtern nach Denver zurückgekehrt war, trug die Nachricht von ihrer Heilung dazu bei, dass die Christliche Wissenschaft in der Stadt stärker wahrgenommen wurde.7
Aufgrund der Erfahrungen und des Beispiels ihrer Mutter war De Soto vermutlich eher bereit, die Geschlechternormen der vorherigen Generation in Frage zu stellen. Ein Brief an Eddy vom Februar 1886 deutet darauf hin, dass sie den Bedarf an Unterricht in der Christlichen Wissenschaft in Denver erkannt hatte:
Mir scheint, dass Denver eine Lehrerin aus Ihrem Lehrinstitut braucht. so viele, die kaum etwas über diese Tätigkeit wissen, versuchen hier zu unterrichten. Würden Sie uns erlauben, die verschiedenen Kurse bei Ihnen nacheinander zu besuchen? Es ist eine lange Reise, und ich würde gerne im Lehrinstitut bleiben, bis wir fertig sind. …8
Zu diesem Zeitpunkt hatte De Soto bereits mit Erfolg unterrichtet. „Unser Haus ist von früh bis spät voller Menschen“, berichtete sie. „Wir haben mehr als 60 Patientinnen und Patienten, zuzüglich derer, die abwesend sind, aber ich habe das Gefühl, es wäre falsch jene unterrichten zu lassen, die sich selbst noch nicht bewiesen haben, dass in der Christlichen Wissenschaft Alles enthalten ist.“9
Im September jenes Jahres schrieb ihr Eddy und ermutigte sie, in Denver ein christlich-wissenschaftliches Lehrinstitut zu eröffnen. Obwohl De Soto ihr Interesse bekundet hatte, dieses zu tun, hatte sie zunächst Zeit damit verbracht, den Westen zu bereisen und an verschiedenen Orten Klassen zu unterrichten. Als es so aussah, als würde De Soto das Vorhaben, ein Lehrinstitut speziell in Denver zu eröffnen, vernachlässigen, schrieb Eddy ihr im September 1886 ein weiteres Mal, bittend: „Mein liebes Mädchen, wann werden Sie meinen Rat befolgen und selbst ein Institut eröffnen?“10 Sie fuhr fort: „Der Mesmerismus überlistet Sie Während Sie über die Arbeit der Geächteten in dieser Wissenschaft scherzen, vergessen Sie, dass diese Sie umringen, indem sie zuerst ihre falschen Behauptungen aufstellen.“ Und sie ermahnte De Soto: „Wenn Sie nun aber begonnen hätten, als ich es ihnen gesagt hatte, wären jene in die Defensive geraten und nicht Sie. Aber Ihr Verzögern hat das umgewendet und jenen den Vorteil verschafft.“11
Tatsächlich hatte De Soto zu dem Zeitpunkt bereits ein Lehrinstitut in Denver eröffnet. Eine von ihr verfasste Notiz auf jenem September-Brief von Eddy deutet darauf hin, dass sie schon am 23. August 1886 eine Gründungsurkunde für ihr Institut erhalten und dass sie bereits zuvor, am 8. Juni, ihre erste Klasse unterrichtet hatte.12 So wie das von Bradshaw half auch das Institut von De Soto dabei, die Christliche Wissenschaft im amerikanischen Westen zu verbreiten und sicherzustellen, dass der Unterricht in Übereinstimmung mit Eddys Schriften und Lehren vonstattenging.
Als Frauen, die in Führungsrollen im Grenzland des amerikanischen Westens tätig waren, standen De Soto und Bradshaw vor einzigartigen Herausforderungen. Aufgrund der überwiegend männlichen Bevölkerung in Denver und San Jose war ihre Tätigkeit für sie als Frauen besonders ungewöhnlich. Aber gleichzeitig scheint die Neubestimmung der Geschlechterrollen im Zuge der Migrationsbewegung nach Westen und der frühen Jahre im Grenzland eine dauerhafte Auswirkung auf ihre Befähigung gehabt zu haben, in einer von Männern dominierten Welt Einfluss zu erlangen.
Dieser Artikel steht auch auf unseren englischen, französischen, portugiesischen und spanischen Webseiten zur Verfügung.
- Minnie B. Hall De Soto an Mary Baker Eddy, 11. Februar 1886. https://mbepapers.org/?load=223A.37.005
- De Soto an Eddy, 13. August 1886, 223A.37.012. https://mbepapers.org/?load=223A.37.012
- De Soto an Eddy, 28. November 1886. 223a.37.014, https://mbepapers.org/?load=223A.37.014.
- Sue Ella Bradshaw an Mary Baker Eddy, 15. Juni 1886, 183.31.009. https://mbepapers.org/?load=183.31.009
- „Wahre Weiblichkeit“ war ein Ideal der Frau des neunzehnten Jahrhunderts, das in den zeitgenössischen Frauenzeitschriften und in der religiösen Literatur dieser Zeit propagiert wurde. Eine „wahre Frau“ zeichnete sich durch ihre Frömmigkeit, Reinheit, Unterwürfigkeit und Häuslichkeit aus. Diese Werte wurden infrage gestellt, als der Druck des Amerikas des neunzehnten Jahrhunderts – beispielsweise in Gestalt der sozialen Reformbewegung, der Migration nach Westen, der missionarischen Tätigkeiten, der utopistischen Organisationen, der Industrialisierung und des Bürgerkriegs – sie auf den Prüfstand stellte und nach differenzierteren Antworten für Frauen verlangte. Siehe Barbara Welter: „The Cult of True Womanhood: 1820–1860“ [„Der Kult um die Wahre Weiblichkeit: 1820-1860“], American Quarterly, Band 18, Nr. 2, Teil 1 (Sommer, 1966), 152, 174; Earl Pomeroy: „Toward a Reorientation of Western History: Continuity and Environment“ [Auf dem Weg zu einer Neuausrichtung der westlichen Geschichte: Kontinuität und Milieu], Mississippi Valley Historical Review 41 (März 1955), 579–600; Julie Roy Jeffrey: Frontier Women: The Trans-Mississippi West, 1840–1880 [Grenzland-Frauen: Der Westen jenseits des Mississippi, 1840-1880] (New York: Hill & Wang, 1979); Katherine Harris: „Sex Roles and Work Patterns among Homesteading Families in Northeastern Colorado, 1873–1920” [Geschlechterrollen und Arbeitsstrukturen innerhalb von Siedlerfamilien im Nordosten von Colorado, 1873-1920],Frontiers 7, Nr. 3 (1984), 43–49.
- Bradshaw an Eddy, 15. Juni 1886. 183.31.009.
- Siehe Webster Lithgow: „A Westward Wind Part 2: Colorado“ [Ein westwärts wehender Wind Teil 2: Colorado], https://www.longyear.org/learn/research-archive/a-westward-wind-part-2-colorado/
- De Soto an Eddy, Februar 1886, 223A.37.003. https://mbepapers.org/?load=223A.37.003
- Ebd.
- Eddy an De Soto, 5. September 1886, L05496, https://mbepapers.org/?load=L05496
- Ebd.
- Ebd.