Wurde es von Mary Baker Eddy verfasst? „Das Böse ist keine Macht“
Wir erhalten hin und wieder Fragen zur Autorschaft des Faltblatts mit dem Titel „Das Böse ist keine Macht“. Zuerst war es ein Nachdruck eines Leitartikels in der Ausgabe vom 2. November 1907 des Christian Science Sentinel.1 Der Titel entspricht einer Aussage Mary Baker Eddys auf Seite 192 in Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift. Archibald McLellan, der Chefredakteur der Zeitschriften der Kirche und Mitglied des Vorstands der Christlichen Wissenschaft, schrieb den Leitartikel; Mrs. Eddy überarbeitete diesen dann intensiv und ließ ihn als Faltblatt drucken.
„Das Böse ist keine Macht“ geht auf einen Artikel von Benjamin Orange Flower (oft bezeichnet als B. O. Flower) in der Oktober-Ausgabe 1907 des Magazins The Arena ein. Irving C. Tomlinson berichtete darüber in seiner Erinnerung aus dem Jahr 1932:
Die Oktober-Ausgabe [1907] von Arena, wo man Mrs. Eddy und der Bewegung der Christlichen Wissenschaft freundschaftlich gesonnen war, veröffentlichte einen Artikel, in dem der Verfasser zu sagen schien, dass das Böse eine Macht ist. Mrs. Eddy sah diesen Artikel und hatte, da sie sich mit „The Arena“ angefreundet und Christliche Wissenschaftler ersucht hatte, die Zeitschrift zu abonnieren, das Empfinden, dass eine Berichtigung nötig wäre. Sie bat zuerst ihren Chefredakteur, Herrn McLellan, einen Artikel zu dem Thema – das Böse ist keine Macht – vorzubereiten, was er tat. Dieser war für Mrs. Eddy jedoch nicht zufriedenstellend. Als ihr die Korrekturfahne vorgelegt wurde, überarbeitete sie den Text, wie sich der hier Schreibende erinnert. Sie ließ ihn dann nachdrucken und entschied, ihn als Faltblatt herauszugeben. Der hier Schreibende hat viele Korrekturfahnen dieses Artikels in seinem Besitz. Diese zeigen, dass Mrs. Eddy den Artikel mindestens ein dutzend Mal korrigiert, geändert und mit kritischen Anmerkungen versehen hat, bevor er in seiner finalen Form erschien.2
Flower hatte The Arena 1889 gegründet. Die Zeitschrift war bekannt als Fürsprecherin sozialer Reformen.3 In seinem Artikel hatte Flower den Versuch unternommen, die „sieben vermeintlichen Wahnvorstellungen“ zu entkräften, unter denen Mrs. Eddy angeblich gelitten habe – William E. Chandler zufolge, dem führenden Berater für das Gerichtsverfahren der „nächsten Freunde“, das im Jahr 1907 gegen Mrs. Eddy angestrengt worden war.4
„Das Böse ist keine Macht“ wurde mehrfach veröffentlicht. Zuerst erschien es in der Ausgabe vom 2. November 1907 des Sentinel. Dann überarbeitete Mrs. Eddy es und ließ es in der Ausgabe vom 9. November 1907 erneut abdrucken.5 Es war jedoch ein Fehler in den letzten beiden Sätzen des zweiten Abschnitts entstanden. Deshalb erfolgte eine Berichtigung in der folgenden Ausgabe (16. November 1907).6 Danach überarbeitete Mrs. Eddy den Text noch weiter, bevor sie ihn als Faltblatt veröffentlichte. Sogar danach nahm sie weitere Überarbeitungen vor und veröffentlichte ihn erneut.7 Die letztgültige Version erschien nicht in den christlich-wissenschaftlichen Zeitschriften – sie wurde nur als Faltblatt veröffentlicht.
Mrs. Eddy betrachtete dieses Thema ganz klar als von großer Wichtigkeit. Zu einem gewissen Zeitpunkt, als sie sich mit McLellan über die Formulierungen des Textes austauschte, schrieb sie: „Ich sehe voraus, was nötig ist, um es mit der zukünftigen Geschichte der Christlichen Wissenschaft in Einklang zu bringen.“8
„Das Böse ist keine Macht“ erfuhr eine weite Verbreitung. Am 20. November 1907 schrieb Alfred Farlow – dessen Position als Manager der Komitees für Veröffentlichungen der Kirche ihn oft in Kontakt mit der Öffentlichkeit und der Presse brachte – an Mrs. Eddy: „Wir schicken das Faltblatt in die ganze Welt – 150.000 Exemplare insgesamt.“9 Hinweise auf die kostenlose Verteilung des Faltblatts erschienen in Ausgaben des Sentinel und eine große Anzahl wurde über die Leseräume der Christlichen Wissenschaft zur Verfügung gestellt.10
Laura Sargent war eine Schülerin Mary Baker Eddys und gehörte zum Mitarbeiterstab ihres Haushalts. Mehr als zwanzig Jahre lang stand sie Mrs. Eddy mit gebetvoller Unterstützung zur Seite. Am 22. November 1907 hielt Sargent dies in ihrem Tagebuch fest:
Mutter [Mrs. Eddy] rief uns und sagte, dass diese Botschaft „Das Böse ist keine Macht“, die in Form eines Faltblatts gedruckt werden würde, der Klang des letzten [E]ngels (der letzten Botschaft) sei, denn diese Botschaft setzt der Frage ein Ende, ob es eine Macht im Bösen oder etwas Böses gibt.11
Wenige Tage später erwähnte sie das Faltblatt erneut:
Mutter arbeitet immer noch an dem Faltblatt „Das Böse ist keine Macht“. An dem Nachmittag, als es fertiggestellt war, rief sie uns und sagte: „Ich habe ihnen gezeigt, dass es nichts Böses gibt. Es gibt nichts, worüber zu streiten wäre. Zuerst werden sie sehen, dass es ihren bisherigen Ansichten entgegengesetzt ist, und das wird ihr Interesse erwecken. Dann werden sie es bis zum Ende lesen und es wird sie heilen. Dies ist Heilung, nicht Behandlung, sondern Heilung.“ Dann zeigte ich ihr Offenbarung 12:9,10 und Offenbarung 11:15 und sie strich sie sich in ihrer Bibel an.12
In der Ausgabe vom 7. März 1908 des Sentinel berichtete das Komitee für Veröffentlichungen der Christlichen Wissenschaft für Kalifornien, dass bis Ende 1907 mehr als 12.000 Exemplare von „Das Böse ist keine Macht“ im Bundesstaat verteilt worden seien, weniger als zwei Monate nach dem das Faltblatt veröffentlicht worden war.13 Es wurde auch ins Deutsche übersetzt und im März 1908 in der deutschen Ausgabe von The Herald of Christian Science (den Deutschsprachigen zu der Zeit bekannt als Der Herold der Christian Science) veröffentlicht.14 Obwohl zwischen Mrs. Eddy und dem Treuhänderrat der Verlagsgesellschaft der Christlichen Wissenschaft ein Austausch über eine französische Übersetzung stattfand, wurde nie eine solche veröffentlicht.15
Die von der Verlagsgesellschaft der Christlichen Wissenschaft gedruckten Faltblätter sind Teil der Sammlungen der Mary Baker Eddy Bibliothek.
- Archibald McLellan, „Evil is not Power“ [Das Böse ist keine Macht], Christian Science Sentinel, 2. November 1907, 170.
- Irving C. Tomlinson, „Mary Baker Eddy: The Woman and the Revelator” [Die Frau und der Offenbarer], 1932, Reminiscence [Erinnerung], 403.
- Susan Harris Smith und Melanie Dawson, hgg., The American 1890s: A Cultural Reader [Die amerikanischen 1890er: Ein Lesebuch zur Kultur] (Durham, North Carolina, and London: Duke University Press, 2000), 273.
- B. O. Flower, „The Seven Alleged Delusions of the Founder of Christian Science Examined in the Light of History and Present-Day Research” [Die sieben vermeintlichen Wahnvorstellungen der Gründerin der Christlichen Wissenschaft, überprüft im Licht der Geschichte und der aktuellen Forschung], The Arena, Oktober 1907, 408–422.
- Archibald McLellan, „Evil is not Power” [Das Böse ist keine Macht], Sentinel, 9. November 1907, 190.
- „A Correction” [Eine Berichtigung], Sentinel, 16. November 1907, 210.
- Kopie von „Evil is not Power” [Das Böse ist keine Macht] mit Anmerkungen in Mary Baker Eddys Handschrift, 1907, L07084.
- Mary Baker Eddy an McLellan, 5. November 1907, L07072.
- Alfred Farlow an Mary Baker Eddy, 20. November 1907, IC006fP2.06.053.
- „For Free Distribution” [Zur kostenlosen Verteilung], Christian Science Sentinel, 21. Dezember 1907, 311.
- Laura Sargent, „Priceless Lessons from Our Leader” [Unschätzbare Lektionen von unserer Führerin], in We Knew Mary Baker Eddy, Expanded Edition [Wir kannten Mary Baker Eddy, erweiterte Ausgabe], Band I (Boston: The Christian Science Publishing Society, 2011), 113.
- Ibid., 113–114.
- „Among the Churches“ [Aus den Kirchen], Sentinel, 7. März 1908, 533.
- Archibald McLellan, „Das Übel ist keine Macht”, Der Herold der Christian Science, März 1908, 561–563.
- Treuhänder, Verlagsgesellschaft der Christlichen Wissenschaft an Mary Baker Eddy, 2. Dezember 1907, IC094b.21.021.