Wie äußerte sich Eddy zu östlichen Denksystemen?
Wir werden manchmal gefragt, ob Mary Baker Eddy sich mit dem Hinduismus, dem Buddhismus oder anderen östlichen Religionen und Philosophien auseinandergesetzt und/oder sich dazu geäußert hat.
Eine weitverbreitete Kenntnis der aus dem indischen Subkontinent stammenden Traditionen (manchmal als dharmische Religionen bezeichnet) war zu Eddys Lebzeiten in den Vereinigten Staaten erst im Entstehen begriffen. Aber Eddy stellte gelegentlich Bezüge zwischen dem Hinduismus, dem Buddhismus und der Christlichen Wissenschaft her.1
Am 26. Oktober 1884 hielt Eddy in Hawthorn Hall in Boston eine Predigt über den Text: „Ihr irrt, weil ihr weder die Schriften kennt noch die Kraft Gottes“ (Siehe Matthäus 22:29). Die Zusammenfassung enthielt eine Aussage, die sich auf ein breites Spektrum sowohl östlichen als auch westlichen Denkens beziehen könnte:
Die hochgeschätzte Rednerin begann damit, daß sie sagte: In der Bibel habe sie die ganze göttliche Wissenschaft gefunden, die sie predige; auf ihrem ganzen Forschungsweg habe sie immer bemerkt, daß, wenn ihre Gedanken auf Abwege antiker Philosophien oder heidnischer Literatur gerieten, ihre geistige Einsicht dadurch verdunkelt worden sei, bis sie von Gott zu den inspirierten Blättern zurückgeführt wurde.2
Eddy gab einen Leitartikel zur Veröffentlichung frei, der in The Christian Science Weekly vom 29. September 1898 erschien, und in dem die Behauptung, die Christliche Wissenschaft sei „Hindu-Philosophie unter einem westlichen Namen“, scharf kritisiert wurde. Die Behauptung war von Pundita Ramabai aufgestellt worden, einem Inder, der vom Hinduismus zum Christentum konvertiert war und in den USA Vorträge hielt.3
Obwohl Eddy kaum je andere dharmische Traditionen als die des Hinduismus erwähnte, bezog sie sich im Juli 1893 in einem Brief an ihre Schülerin Margaret Easton auf den Buddhismus:
Das wahre Verständnis vom Menschentum, das ihnen zu eigen ist, ist der beste Teil des [Buddhismus]. Und die Einsicht, sich keine Gedanken darüber zu machen, was wir essen oder trinken sollen, ist [Christus]-gleich, denn Jesus lehrte dies. Darum ist all das auch weit entfernt von Selbstmesmerismus, viel eher ist es ein ursprüngliches Christentum, das der Wissenschaft ein Verneinen des persönlichen Lebens und Empfindens andeutet, wodurch die Existenz des Seins dort zugegeben wird, wo sie ist, nämlich in Gott und nicht im Menschen, im Geist und nicht in der Materie, in der Seele und nicht im Sinn.4
Außerdem erklärte Eddy in einem undatierten Manuskript: „Ich habe in meinem ganzen Leben kein Werk über Buddhismus, Theosophie, Pantheismus oder Okkultismus gelesen und habe auch nicht vor eines zu lesen.“5 1906 schrieb sie in einem Brief an Rev. N. Riale: „Die Lehre Buddhas, die mit ihrem Nirwana auf einer heidnischen Grundlage beruht, stellt nicht die Göttlichkeit der Christlichen Wissenschaft dar … Denken Sie nicht, dass die Christliche Wissenschaft zum Buddhismus oder irgendeinem anderen ‚Ismus‘ tendiere.“6
Eddy vermerkte in ihrer Botschaft an die Mutterkirche für 1902: „Es besteht Grund zur Freude, dass die gebildeten Klassen den Buddhismus und den Schintoismus jetzt, wie man sagt, mehr als eine Philosophie denn als eine Religion ansehen.“7
Es wird behauptet, dass Eddy sich mit dem Hinduismus beschäftigt habe und/oder von ihm beeinflusst worden sei, da sie Zitate aus einigen Passagen hinduistischer Schriften in den Ausgaben 16 (1886) bis 49 von Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift verwendet habe. Das ist nicht korrekt. Zusammen mit vielen anderen Zitaten aus verschiedenen Quellen wurden diese möglicherweise von Reverend James Henry Wiggin eingefügt, einem unitarischen Geistlichen im Ruhestand, der von 1885 bis 1891 für sie als Lektor und Korrektor tätig war.8 Sie entfernte diese Textstellen in der 50. Ausgabe (1891), als sie auch etliche weitere Bearbeitungen von Wiggins verwarf.9
In einem undatierten Manuskript schrieb Eddy:
Der [Hindu] Prophet oder [Yogi] wird Ihnen sagen, dass Materie eine Illusion ist, und dann seine Philosophie und Religion anhand von Materie alias Illusion interpretieren. Hinsichtlich dessen fragte unser Meister: „Kann man auch Trauben lesen von Dornen?“ Können Menschen aus Illusionen Nutzen ziehen oder die Wahrheit durch Irrtum beweisen? Der [Hindu] Prophet behauptet, dass die Hirnsubstanz der Kanal für Intelligenz sei und dass daher Materie die Verbindung zwischen seiner Gottheit und dem [Hindu-] Eingeweihten aufrechterhalten müsse. Diese Hypothese setzt voraus, dass wir für jedwede Erleuchtung nach innen schauen müssen. Aber genau wie das Christentum des Paulus verlangt die Christliche Wissenschaft, dass wir nach außen, zu Gott hinschauen, um göttliche Kraft zu erlangen, und weg vom menschlichen Bewusstsein. Paulus spricht sich gegen die Selbstbetrachtung aus, mit der die Erlösung der Menschen erlangt werden soll, und sagt, aus dem Leib auszuziehen bedeutet, daheim zu sein bei Gott.10
Der Historiker Stephen Gottschalk erklärte 2006 Folgendes in seinem Buch Rolling Away the Stone: Mary Baker Eddy’s Challenge to Materialism [Den Stein hinwegrollen: Mary Baker Eddys Herausforderung des Materialismus]:
Während der 1890er Jahre und darüber hinaus beschimpften Geistliche, die der Christlichen Wissenschaft kritisch gegenüberstanden, diese wiederholt als eine Form des Pantheismus, die mehr mit dem Hinduismus als mit dem legitimen Christentum zu tun habe. „Mrs. Eddy“, konstatierte der presbyterianische Geistliche William P. McCorkle in seinem Buch Christian Science, or The False Christ of 1866 [Die Christliche Wissenschaft oder Der falsche Christus von 1866], „lehrt in allen wichtigen Punkten genau das, was durch die Hindu-Philosophie seit Jahrhunderten unterrichtet wird. Jenes System ist pantheistisch.“ In der Tat hatten sich diese Anschuldigungen so gehäuft, dass Eddy sich veranlasst fühlte, ihre Botschaft an die Mutterkirche für 1898 dem Thema „Nicht Pantheismus sondern Christliche Wissenschaft“ zu widmen, woraus eine Broschüre mit dem Titel „Die Christliche Wissenschaft im Gegensatz zum Pantheismus“ entstand.11
Diese Ansprache wurde erstmals als Botschaft an die Mutterkirche am Ende des Kommunionsgottesdienstes am 5. Juni 1898 übermittelt und vom Ersten Leser, Richter Septimus J. Hanna, vorgetragen.12 Nachdem die Botschaft übermittelt worden war, beschloss Eddy, dass sie nicht im Christian Science Journal veröffentlicht werden sollte. Stattdessen wollte sie einige Überarbeitungen daran vornehmen und sie dann als Broschüre herausgeben, die im September 1898 erschien.13
Dieser Artikel steht auch auf unseren englischen, französischen, portugiesischen und spanischen Webseiten zur Verfügung.
- Die Christliche Wissenschaft basiert auf der Bibel, insbesondere auf den Lehren Jesu Christi. Siehe beispielsweise Mary Baker Eddy, Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift (Boston: The Christian Science Board of Directors), 523: 23–12. Für weitere geschichtliche Informationen siehe „Hinduism in America“ [Der Hinduismus in Amerika], von Amanda Lucia aus den Oxford Research Encyclopedias [Oxford Forschungs-Enzyklopädien], https://oxfordre.com/religion/view/10.1093/acrefore/9780199340378.001.0001/acrefore-9780199340378-e-436 und „Buddhism in America“ [Der Buddhismus in Amerika], von Jeff Wilson aus den Oxford Research Encyclopedias, https://oxfordre.com/americanhistory/display/10.1093/acrefore/9780199329175.001.0001/acrefore-9780199329175-e-320
- Eddy, „Sermon“ [Predigt], Journal of Christian Science, 1. November 1884, 1. Dieser Artikel wurde später überarbeitet und in Vermischte Schriften 1883–1896, 168–171, neu veröffentlicht.
- „Editorial“, The Christian Science Weekly, 29. September 1898, 4–5.
- Mary Baker Eddy an Margaret E. Easton, 2. Juli 1893, L04690.
- Eddy, „Mrs. E‘s History“ [Die Geschichte Mrs. Eddys], o.D., A11025.
- Eddy an Frank N. Riale, 17. September 1906, L14293. Dies wurde später als „Brief an einen Geistlichen“ nachgedruckt, in Eddys Buch Die Erste Kirche Christi, Wissenschaftler und Verschiedenes (Boston: The Christian Science Board of Directors), 118–120.
- Eddy, Vier Botschaften an die Mutterkirche (Boston: The Christian Science Board of Directors), 72.
- Für weitere Informationen, siehe Aus den Mary Baker Eddy Papers: A major revision of Science and Health [Eine umfassende Überarbeitung von Wissenschaft und Gesundheit].
- Siehe Robert Peel, Mary Baker Eddy: The Years of Trial [Mary Baker Eddy: Die Jahre der Prüfung] (Boston: The Christian Science Publishing Society, 1971), 205–208.
- Eddy, „Religions and Christian Science“ [Die Religionen und die Christliche Wissenschaft], o.D., A10398, 3–5.
- Stephen Gottschalk, Rolling Away the Stone: Mary Baker Eddy’s Challenge to Materialism [Den Stein hinwegrollen: Mary Baker Eddys Herausforderung des Materialismus] (Bloomington: Indiana University Press, 2006), 142.
- Siehe „Communion of Christian Scientists“ [Kommunion der Christlichen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler], The Christian Science Journal, Juli 1898, 269–271.
- Eddy an Septimus J. Hanna, 10. Juni 1898, L05223. Siehe auch „New Pamphlet“ [Neue Broschüre], Christian Science Sentinel, 29. September 1898, 7.