Der Monitor hebt ab
Ein Thema, das Reporter:innen und Leser:innen gleichermaßen faszinierte, war der menschenbetriebene Flug. Der Monitor berichtete während des gesamten 20. Jahrhunderts umfassend über das Wachstum und die Entwicklung der Luftfahrt. Frühe Berichte geben einen Einblick, wie dieses Wachstum in den ersten Tagen der Zeitung seinen Anfang nahm.
Am 19. Dezember 1908 erschien im Monitor ein Artikel mit der Überschrift: „U.S. Aeroplanist Breaks Record“ [US-Motorflieger bricht Rekord]. Er beschrieb ausführlich die anhaltenden Errungenschaften des Pioniers der Luftfahrt, Wilbur Wright (1867–1912):
LE MANS, Frankreich – Der amerikanische Motorflieger Wilbur Wright stellte beim Versuch, den Michelin-Pokal zu gewinnen, einen neuen Weltrekord für Flugmaschinen auf, die schwerer als die Luft sind, und blieb 1 Std., 53 Min., 59 Sek. in der Luft. Damit brach er seinen eigenen Rekord vom 21. Sept., an dem er 1 Std., 31 Min., 51 Sek. flog.
Mr. Wright schloss einen siegreichen Tag mit einem weiteren Rekord ab, indem er bei starkem Wind bis knapp 110 m aufstieg und somit den Höhenpreis des Sarthe Aero Clubs gewannt. Erst wurde befürchtet, dass die heftige Brise ihn zwingen würde, den Flug auf später zu verschieben, dennoch setzte er sein Fluggerät mutig in Gang und umkreiste das Flugfeld mehrere Male. Auf 27,5 m Flughöhe wurde die Flugmaschine von einer plötzlichen seitlichen Windböe erfasst, die sie heftig zurückwarf. Die Zuschauer waren entsetzt, doch Mr. Wright behielt die Nerven und konnte seine Maschine zügig wieder aufrichten. …
Der Aero Club gab zu Ehren des doppelten Siegs von Mr. Wright ein Dinner. Der Michelin Cup wird dem Motorflieger verliehen, der vor dem 31. Dez. 1908 den längsten Flug zurücklegt …1
Fünf Jahre waren vergangen, seit Wilbur Wright und sein Bruder Orville im Dezember 1903 erstmals erfolgreich geflogen waren – und weniger als ein Monat, seit der Monitor am 25. November 1908 ins Leben gerufen worden war. In den folgenden Jahren lockten die Schlagzeilen häufig und gut sichtbar mit aufregenden Berichten dieser Art, die ausführlich über die Errungenschaften und Wettbewerbe berichteten, die sich im aufstrebenden Gebiet der Luftfahrt zügig entwickelten.
In einem unveröffentlichten Rückblick auf die Geschichte der Berichterstattung des Monitors über die Luftfahrt stellte der Journalist und für die Luftfahrt zuständige Chefredakteur Albert Hughes fest: „Die Luftfahrt stellt ein wesentliches Kommunikationsmittel dar, und im Zeitungsgewerbe, wo Kommunikation ein wesentliches Element des Geschäftslebens ausmacht, ist der Christian Science Monitor immer auf jede Phase der Luftfahrt eingegangen.“2 Hughes war sicher, dass der Aufstieg der Luftfahrt zur schnelleren Nachrichtenübertragung beitrug – „sowohl durch die schnelle Weiterleitung von Meldungen per Luftpost als auch durch den Transport der Korrespondenten per Flugzeug in die entlegensten Winkel der Erde.“ Die Auswirkungen dieser Entwicklungen auf den Journalismus im Allgemeinen – und den Monitor im Besonderen – sind tiefgreifend. Und der Monitor wiederum hat während seines gesamten Bestehens über Nachrichten aus der Luftfahrt berichtet. Daher die Notwendigkeit eines spezialisierten, für die Luftfahrt zuständigen Chefredakteurs wie Hughes, und zumindest vorübergehend einer Seite, die ausschließlich Nachrichten über die Luftfahrt gewidmet war. Obwohl diese spezielle Seite nur einige Jahre Ende der 1920er existierte, konnte Hughes auf eine lange und fruchtbare Karriere als Berichterstatter über die Luftfahrt zurückblicken.
Ein frühes und wichtiges Ereignis, über das der Monitor berichtete, war die erste Flugschau von Harvard-Boston. Sie fand Anfang September 1910 südlich von Boston in Squantum, Massachusetts, statt. Hughes nannte das Ereignis „die erste und wichtigste Flugschau, die jemals im Nordosten der Vereinigten Staaten stattgefunden hat“.3 Der Monitor berichtete ausführlich über diese zweiwöchige Flugschau, einschließlich täglicher Titelgeschichten, einer zweiseitigen Karte des Raums Boston „aus der Vogelperspektive“ und Berichten über namhafte Piloten aus den USA und anderen Ländern, die daran teilnahmen. England und Frankreich waren damals an vorderster Front an dem Wettbewerb in der Luftfahrt beteiligt. Der britische Pilot Claude Grahame-White, ein bekannter Pionier der Luftfahrt in seiner Heimat, zeigte bei der Flugschau eine starke Leistung.
Mrs. Eddy, die selbst ein großer Fan von Grahame-White war, mag zu denjenigen gehört haben, die von der Harvard Flugschau begeistert waren, obwohl sie nicht daran teilgenommen hat. Erwin D. Canham schrieb in seinem 1958 erschienen Buch Commitment to Freedom [Engagement für die Freiheit], dass „sie mehrere Mitglieder ihres Haushalts aufforderte, an den Strand von Squantum in der Nähe von Boston zu fahren, an dem [Grahame-Whites] Flug stattfand, und ihr genau davon zu berichten“. Mrs. Eddys persönlicher Assistent Calvin Frye, der selbst sehr an Maschinen interessiert war, gehörte dazu. Irving C. Tomlinson schrieb 1932 in seinen Erinnerungen, dass Mr. Frye während der Flugschau eines Tages „hastig ins Haus lief, sich umzog, ins Auto sprang und um 14 Uhr Richtung Squantum abfuhr … Um 17 Uhr kehrte Mr. Frye dann wieder zurück. Das war die längste Freizeit, die sich Mr. Frye in all den Jahren seiner Dienste gegönnt hat – ein deutliches Zeichen seiner Hingabe.“4 Nachforschungen haben zwar ergeben, dass Mr. Frye auch andere kurze arbeitsfreie Zeiten hatte, doch es steht außer Frage, dass er unermüdlich arbeitete – und dass er seine Arbeit ganz offensichtlich im Geiste der bereitwilligen Verpflichtung ausführte.
Mrs. Eddy verfolgte das Ereignis mit so viel Begeisterung, dass ihre Angestellten Berichten zufolge Kontakt mit Mr. Grahame-White aufnahmen und ihn fragten, ob es möglich sei, ihr Haus in Chestnut Hill, Massachusetts, zu überfliegen. (Er lehnte ab und beließ es bei einem relativ sicheren Flug über Wasser.)5
Dieses lebhafte Interesse an der Luftfahrt passt zu dem, was wir über Eddys Ansicht hinsichtlich des ungeheuren technischen Fortschritts wissen, der zu ihren Lebzeiten vonstatten ging. Neue Erfindungen, so erklärte sie, „erhellen den Weg zu der Kirche Christi. Wir nutzen sie, wir machen sie zu unseren Ausdrucksmitteln. Sie bereiten den Weg für uns.“6 Aus ihrer Sicht konnten technische Fortschritte neue Dinge möglich machen und in gewisser Weise die Reichweite ihrer Botschaft vergrößern. Doch sie bezog diese Idee nicht uneingeschränkt auf jede neue Annehmlichkeit. Zwar hat es den Anschein, als ob die Luftfahrt ihre Aufmerksamkeit erweckte, doch sie zog ihre Pferde jedem Automobil vor.7
Inmitten der Aufregung über die Verwirklichung des Menschheitstraums vom Fliegen und inmitten aller anderen Formen des Fortschritts zu dieser Zeit ragte drohend der Schatten des bevorstehenden Ersten Weltkriegs auf. Der Bericht des Monitors im Jahr 1908 über den rekordbrechenden Flug von Mr. Wright endete mit der Erwähnung der Entwicklung des Flugschiffs in Berlin: „Der Entwickler [eines Ballons, der als Rivale des Marktführers, Graf Zeppelin, galt] erwartet, dass sein Ballon fähig sein wird, neben anderen Gütern zwei Tonnen Sprengstoff zu transportieren – eine Aussage, [die] die militärischen Absichten der Erfindung deutlich macht.“8 Das militärische Potenzial der Luftfahrt war für Erfinder und Piloten kein Geheimnis. Der oben geschilderte Bericht beschrieb auch die Präsenz der US-Armee auf den Flugschauen in Boston. Nichtsdestotrotz trieben Wright, Grahame-White und ihre Rivalen ihre Maschinen mit Sportsgeist und Abenteuerlust in immer größere Höhen. Trotz des zerstörerischen Potenzials, das die „Flugmaschine“ besaß, blieb vielleicht die Überzeugung, dass ihr Potenzial für positive Auswirkungen auf die Welt größer war – und sei es als Abschreckung vor Konflikten. Ein Element dieser Sichtweise ist aus der Schlagzeile des Monitors vom 8. September 1910 ersichtlich, der während der Bostoner Flugschau veröffentlicht wurde:
Große Entdeckung in der Luftfahrt von Grahame-White könnte Kriege als solche beenden
… Der Vorsitzende des Flugschau-Wettbewerbskomitees, Charles J Glidden gab heute Mittag bekannt, dass Mr. Grahame-White bei seinem Höhenflug gestern Nachmittag eine bemerkenswerte Entdeckung gemacht hat, die Kriege für alle Zeit beenden könnte. Mr. Glidden ist nicht befugt, weitere Angaben darüber zu machen, sagt aber, dass gegen Ende der Flugschau alle Piloten zusammen aufsteigen werden, um diese Entdeckung weiterzuentwickeln …9
Rückblickend wissen wir, dass dieser Optimismus unberechtigt war; zu diesem Zeitpunkt bewegte sich die Menschheit auf zwei unvorstellbare Kriege innerhalb einer Generation zu. Das Flugzeug war als Abschreckung gegen Konflikte nicht geeignet – obwohl es den Menschen Hoffnung geschenkt und in den Jahrzehnten seither viele nützliche Dienste geleistet hat. Der Monitor seinerseits wurde seinem Motto, „keinem Menschen zu schaden, sondern die ganze Menschheit zu segnen“ gerecht, indem er diese geheimnisvolle und optimistische Meldung auf die Titelseite brachte. Als Eddy nur wenige Monate nach der historischen Flugschau in Squantum verstarb, gab die von ihr gegründete Zeitung ihren Anhänger:innen die Hoffnung, dass der menschliche Erfindungsreichtum die Zukunft heller machen könnte.
Dieser Artikel steht auch auf unseren englischen, französischen und spanischen Webseiten zur Verfügung.
- „U.S. Aeroplanist Breaks Record“ [US-Motorflieger bricht Rekord], The Christian Science Monitor, 19. Dezember 1908, 5.
- Albert Hughes, „The Christian Science Monitor in Aviation“ [Der Christian Science Monitor in der Luftfahrt], ca. 1953, 1. Kirchenarchiv, Box 20221, Ordner 124564.
- Ebd., 4.
- Irving Tomlinson, „Mary Baker Eddy: The Woman and the Revelator“ [Mary Baker Eddy: Die Frau und der Offenbarer], 12. Mai 1932, Erinnerungen, 650.
- Edwin D. Canham, Commitment to Freedom (Boston, Houghton Mifflin, 1958), 12.
- Mary Baker Eddy, Die Erste Kirche Christi, Wissenschaftler, und Verschiedenes (Boston: The Christian Science Board of Directors), 345. Diese Sätze stammen aus einem Interview, das Eddy 1901 dem New York Herald gab.
- Irving C. Tomlinson, Twelve Years with Mary Baker Eddy, Amplified Edition [Zwölf Jahre mit Mary Baker Eddy, erweiterte Ausgabe] (Boston: The Christian Science Publishing Society, 1994), 221.
- „U.S. Aeroplanist Breaks Record“, Monitor, 5.
- „Great Air Discovery by Grahame-White May End All Wars“ [Große Entdeckung in der Luftfahrt von Grahame-White könnte Kriege als solche beenden], Monitor, 8. September 1910, 1.