Was dachte Mary Baker Eddy über Theosophie?
Helena Petrovna Blavatsky (1831–1891) entwickelte die Lehren der Theosophie. Sie beinhalteten eine eklektische Mischung aus fernöstlichen Philosophien, dem Glauben an Reinkarnation und Spiritismus. Blavatsky behauptete, einige der Lehren, die sie in die Theosophie aufgenommen hatte, kämen von „Mahatmas“ – Eingeweihten, die im Himalaya leben. Sie lehrte, dass Jesus einer von mehreren großen religiösen und ethischen Lehrern sei, jedoch keine einzigartige Verbindung zum „Christus“ habe, der für ein inneres, mystisches Stadium stehe.1
Blavatsky und ihre Anhängerschaft glaubten, die Theosophie vertrete die endgültige Synthese aus Religion, Philosophie und Wissenschaft, und sie waren der Ansicht, sie würde den Weg zu einem weiter fortgeschrittenen Stadium der geistigen Evolution der Menschheit weisen. Die Theosophie beinhaltete auch Lehren darüber, was sie als die unermesslichen, aber häufig ungenutzten Kräfte des menschlichen Geistes ansahen.2
Die Christliche Wissenschaft rief scharfen Widerspruch von Seiten Blavatskys und anderer Theosophen hervor, beginnend mit Blavatskys Kritik im Jahr 1889 in der Zeitschrift Luzifer. Dieser Artikel wurde wie ähnliche andere später in der Broschüre Some of the Errors of Christian Science [Einige der Irrtümer der Christlichen Wissenschaft] veröffentlicht. Zwei Argumente tauchen immer wieder auf. Erstens: Heilungen durch die Christliche Wissenschaft seien nicht wirklich geistig sondern rührten von unverständiger Anwendung der Kräfte des menschlichen Geistes her. 1890 sagte Blavatsky in ihrer Botschaft an die Amerikanische Theosophische Konferenz: „Versteht ein für allemal, dass nichts ,geistiges’ oder ‚göttliches’ an IRGENDEINER dieser Manifestationen ist. Die durch sie bewirkten Heilungen sind lediglich auf die unbewusste Ausübung okkulter Kräfte auf den unteren Ebenen der Natur zurückzuführen …”3
Zweitens: Die Theosophen vertraten die Ansicht, die von der Christlichen Wissenschaft herbeigeführten Heilungen würden in die natürlichen Abläufe der Gesetzmäßigkeit des Karma eingreifen. Sie glaubten daran, dass Krankheiten im gegenwärtigen Leben einer Person von den schlechten Gedanken oder Handlungen während einer früheren Inkarnation herrührten und dass man diesen Krankheiten ihren Lauf lassen solle, um die Gesetzmäßigkeit des Karma zu erfüllen. Wenn Symptome einer Krankheit durch christlich-wissenschaftliches Heilen beseitigt wurden, nahmen Theosophen an, die Essenz der Krankheit würde noch immer als „ungenutzter Auslöser” existieren, der „sicherlich zu einem anderen Zeitpunkt wieder zum Vorschein kommen würde, sei es in diesem oder in einem anderen Leben”.4
Auch wenn einige Kritiker der Christlichen Wissenschaft behaupteten, diese ähnele der Theosophie, unterschied Eddy die Religion von der Theosophie in ihren veröffentlichten Schriften und in Briefen. Sie schrieb, dass Theosophie die Akzeptanz und die Demonstration des Heilens durch die Christliche Wissenschaft behindern könnte. Beispielsweise erklärte Sie in ihrem Buch Nein und Ja, Theosophie entstammte „der morgenländischen Philosophie des Brahmaismus und vermischt sich mit dessen Magie und Zauberkünsten. Die Theosophie ist mit der Christlichen Wissenschaft so wenig verwandt wie der Geruch des Giftbaums mit dem duftenden Hauch des Frühlings …”5 Wir wissen nicht genau, wann Eddy auf die theosophische Bewegung aufmerksam geworden war. Aber sie nahm in der zweiten Hälfte der 1880er zum ersten Mal Bezug darauf – was nicht überrascht, denn die Theosophische Gesellschaft in Amerika hatte damals Niederlassungen in 14 Städten. Beispielsweise enthielt der Christian Science Journal im Oktober 1886 einen Brief von Frau H. D. Cope zusammen mit Eddys Antwort. Um ihr Verständnis der Christlichen Wissenschaft voranzubringen, hatte Cope unwissentlich einen Kurs bei einem Theosophen belegt, der den Teilnehmergruppe des Kurses empfahl Esoteric Buddhism [Die esoterische Lehre oder Geheimbuddhismus. Leipzig 1884] des Theosophen Alfred Sinnett zu lesen. Nachdem sie dies getan hatte, schrieb Cope an Eddy:
Ich bin nun völlig verwirrt und durcheinander. Ich kann das nicht mit dem Leben und den Lehren von Jesus Christus in Einklang bringen. Ich kann das infolgedessen auch nicht mit Ihren Lehren in Einklang bringen. Können Sie mir weiterhelfen?
Sie fuhr fort, indem sie einige der Lehren in Sinnetts Buch beschrieb.
Eddys Antwort widerlegte diese Lehren und empfahl Cope „andere Lektüre aufzugeben und sich für den Augenblick auf die Lektüre der Heiligen Schrift und meines Werkes Wissenschaft und Gesundheit zu beschränken … Wird diese Richtung verfolgt, werden Sie Trost und Licht erlangen“. Sie schloss mit einer Erwiderung auf Copes Frage, ob man sowohl an die Theosophie als auch an die Christliche Wissenschaft glauben und eine erfolgreiche Heilerin sein könne: „Ich antworte, Nein! ,Ebenso könnte ein Kamel durch ein Nadelöhr gehen.‘ Christus ist der Weg …“6
Wenn Christliche Wissenschaftler nicht ein reines Christentum praktizierten, so riet sie ihrer Schülerin Ellen Linscott, würde die Christliche Wissenschaft verschwinden und durch „die Scholastiken des Gnostizismus und der Theosophie“ ersetzt werden.7 Zwei Monate später schrieb Eddy an Ellens Ehemann, John Linscott:
Hier [in Boston] hat sich eine Theosophische Gesellschaft gebildet, und ich sah eine Liste der Bücher und ihrer Inhalte, die lehren, wie Furcht, Liebe (freie Liebe natürlich), Hass, Krankheit, etc. etc. praktiziert werden können. Auch wie man Geister zu ihrer Tätigkeit ermächtigt. Nun, lieber Schüler, ich danke Gott, dass Du nicht in ihre Fallstricke gezogen wurdest …8
Später schrieb Hermann Hering über ein Interview, das er mit Eddy führte und in dem sie sagte: „Sie sollten Theosophie täglich handhaben.“ Hering fuhr fort:
Da ich eine gewisse Kenntnis von Theosophie habe und weiß, was für ein umfangreiches Thema das ist und wie vielfältig ihr böses Wirken, beugte ich mich vor und fragte, ob es ein bestimmtes Stadium der Theosophie gäbe, auf das sie sich beziehe oder das behandelt werden sollte. Mrs. Eddy antwortete: “Sie behaupten, Ereignisse herbeiführen zu können.” Sie sagte, das sei die große Gefahr und die wichtigste zu handhabende Behauptung …9
Eddy lehnte die Theosophie ab, forderte die Christlichen Wissenschaftler jedoch auf, ihre Anhänger nicht persönlich anzugreifen. Sie fügte die Satzungsbestimmung „Nächstenliebe gegenüber allen“ in das Handbuch Der Mutterkirche ein:
Wenn Mitglieder dieser Kirche auch nicht an die Lehren der Theosophie, des Hypnotismus oder des Spiritismus glauben, hegen sie dennoch keine Feindschaft gegen diejenigen, die an solche Lehren glauben, und werden ihnen keinen Schaden zufügen. Doch wann immer Gott ein Mitglied dazu beruft, für die Wahrheit Zeugnis abzulegen und die Sache Christi zu verteidigen, muss es dies mit Liebe und ohne Furcht tun.10
Auch wenn es heutzutage weniger auffällt, so treiben doch immer noch Elemente theosophischer Lehren die Entwicklung verschiedener spiritueller Ansätze und Gruppen voran, die diese vertreten.
Lesen Sie in diesem Zusammenhang „Hat Der geheime Garten Verbindungen zur Christlichen Wissenschaft?“
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- Pablo D. Sender, „Mahatmas versus Ascended Masters“ [Mahatmas im Gegensatz zu in den Himmel aufgefahrenen Meistern], Quest, Sommer 2011, 107–111.
- Siehe Annie Besant, Thought Power: Its Control and Culture [Kraft der Gedanken: Ihre Kontrolle und Bildung] (London and Benares: Theosophical Publishing Society, 1901).
- H. P. Blavatsky und W. Q. Judge, Some of the Errors of Christian Science [Einige der Irrtümer der Christlichen Wissenschaft] (Point Loma, Kalifornien: Aryan Theosophical Press, 1907), 5.
- Ebd., 10.
- Mary Baker Eddy, Nein und Ja (Boston: The Christian Science Board of Directors), 14.
- Mary Baker Eddy, „Questions Answered“ [Beantwortete Fragen], The Christian Science Journal, Oktober 1886, 160–161.
- Mary Baker Eddy an Ellen Linscott, 8. März 1887, L11008.
- Mary Baker Eddy an John Linscott, 15. Juni 1887, L11033.
- Hermann S. Hering, „Memoirs of Professor Hermann S. Hering, C.S.B.“ [Erinnerungen von Professor Hermann S. Hering, C.S.B.], o.D., Reminiscence, 24.
- Mary Baker Eddy, Handbuch Der Mutterkirche, 89. Ausgabe (Boston: The Christian Science Board of Directors), 47–48.