Frauen der Geschichte: Marcella Craft
Eine melodische Stimme kann mehr leisten als lediglich schöne Töne zu erzeugen. Sie kann auch schöne und inspirierende Botschaften hervorheben – insbesondere jene, die in Kirchenliedern zu finden sind.
Wie viele christliche Kirchen hatte die Mutterkirche einige Jahre lang einen Chor, der an den Sonntagsgottesdiensten mitwirkte, indem er sowohl Kirchenlieder als auch Lieder sang. Im Jahr 1898 änderte sich diese Praxis in der Bostoner Kirche, die zu einem Gottesdienst überging, in dem die Kirchenlieder von der Gemeinde und ausgewählte Stücke von einem/einer Solist:in gesungen wurden. Innerhalb weniger Jahre wurde dies auch für die Zweigkirchen der Christlichen Wissenschaft zum Standard.1 Eine der Ersten dieser Solist:innen war die Opernsopranistin Marcella Craft (1874–1959).
Geboren als Marcia Craft in Indianapolis, Indiana, zog sie im Alter von 13 Jahren mit ihrer Familie nach Riverside, Kalifornien. Dort begann sie ihre Gesangskarriere als Chor-Solistin in der Riverside Baptistenkirche.2 Als die Gemeinde ihr Talent bemerkte, sponserte sie ihr Studium in Boston bei Charles R. Adams (1834–1900), einem international anerkannten Operntenor und Schauspieler.3 4 Wahrscheinlich war es zu dieser Zeit, dass Craft begann, sich für die Christliche Wissenschaft zu interessieren. Sie wurde zwar nie Mitglied der Mutterkirche, war jedoch dort von Januar 1898 bis Oktober 1900 als Solistin tätig.
Obwohl ihre Einführung in die Christliche Wissenschaft nicht unmittelbar dokumentiert ist, so wissen wir doch, dass Craft eine Freundin und Patientin von Laura E. Sargent, einer Praktikerin der Christlichen Wissenschaft, war, die viele Jahre als Eddys Angestellte arbeitete.5 Ihre Begabungen und Überzeugungen sind in diesem Kirchenvermerk vom 26. Oktober 1898 festgehalten:
Mrs. Eddy sagt, der Graf von Dunmore war Komponist, und er war von Miss Crafts Gesang begeistert, Mutter ist darüber informiert, dass Miss C. sehr tiefgehend an C.S. interessiert ist und unser Lehrbuch bei sich hat, wenn sie auf Reisen ist.6
Eddy erkannte Crafts Begabungen. Ein bemerkenswerter Anlass zeigt die Anerkennung, die sie Anfang 1900 zum Ausdruck brachte. Es war im Anschluss an eine Darbietung, die Craft in Concord, New Hampshire, gab, wo Eddy damals lebte:
Gestern Abend erhielt ich von Ihnen den schönsten Blumenkorb, den ich je bekommen habe, und ich möchte Ihnen dafür danken.7 8
Im folgenden Herbst reichte Craft bei ihrer „geliebten Mutter“ den Rücktritt von ihrem Amt als erste Solistin der Mutterkirche ein, um sich stärker auf die Entwicklung ihrer Gabe Gottes, wie sie es selber nannte, zu konzentrieren:
Seit vielen Jahren, seit ich angefangen habe, mich ernsthaft mit Musik zu befassen, hege ich die Hoffnung, eines Tages eine große Sängerin und eine gute Frau zu werden, deren Gesang erhebende Gedanken hin zu denen brächte, die zuhören würden, Gedanken, die sie fühlen könnten, selbst wenn sie diese nicht verstünden … Heutzutage können Sänger eine solche Position nicht erreichen und als Sänger ersten Ranges wahrgenommen werden, ohne in Europa gelernt zu haben. Bis jetzt hat sich mir nie die Möglichkeit dafür geboten.
Im weiteren Verlauf ihres Briefes drückte sie ihre Dankbarkeit für die Mutterkirche aus:
Aber die Jahre, in denen ich an meiner Technik gearbeitet habe, sind nicht umsonst gewesen, und die letzten zweieinhalb Jahre, in denen ich in der Mutterkirche gesungen habe, waren mir eine große Hilfe in einer Zeit, da ich sie am meisten benötigt habe, und haben mich auf ein besseres und umfassenderes Schaffen vorbereitet. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie viel mir die Christliche Wissenschaft bedeutet hat und wie mir geholfen wurde, noch mehr aus dem Verständnis des Geistes heraus zu lieben.9
Sie zog nach Mailand, Italien, wo sie bei Francesco Mottino und Enzo Guagni Unterricht nahm. Später, zwischen 1905 und 1915, wurde sie eine von drei stellvertretenden Solist:innen der Mutterkirche.10 Und sie blieb weiterhin mit Eddy in Kontakt, nachdem sie von ihrem Amt als Solistin zurückgetreten war.
1900 bot sie an für Eddy zu singen, die zunächst ablehnte, indem sie schrieb, dass sie ihre „Liebe zur weltlichen Musik“ verloren habe.11 Craft erwiderte, dass sie lediglich singen wolle, wenn Eddy den „Wunsch habe, die Vertonung von der Mutter Abendgebet oder dem Kommunionslied zu hören, und nicht um zur Schau zu stellen, was für bescheidene Fähigkeiten“ sie habe.12 (Sie bezog sich in diesem Brief auf zwei von Eddys Gedichten, die vertont worden waren.)
Tatsächlich sang Craft dann im Jahr 1909 ein Stück aus Felix Mendelssohns Oratorium Elias für Eddy – ein Privileg, das nur wenigen vergönnt war. William Rathvon, einer von Eddys Sekretären, erinnert sich:
[Marcella] wurde vorgestellt und war bald tief versunken in „Höre Israel“, während Mrs. [Ella] Hoag sie begleitete. Das Zimmer war so klein, dass nur noch [Adam H. Dickey] und [Calvin Frye] hineinpassten, [Irving C. Tomlinson], [Laura Sargent] und ich mussten in der Türöffnung stehen. Im Hausflur und auf den Treppenstufen hatten sich die anderen gruppiert. Nach einem hohen anhaltenden Ton applaudierte unsere Führerin. Ich sehe die aufrechte Gestalt noch vor mir, wie sie ihre Hände hoch empor hebt und lebhaft klatscht. Nachdem sie dann die Sängerin mit den Worten empfangen hatte: „All der Ruhm, der Ihnen zuteil wird, ist hochverdient“, küsste [Marcella] ihre Hand und war ganz überwältigt. …13
Kurz nach diesem Auftritt kehrte Craft nach Europa zurück, wo sie in Deutschland später zu einer berühmten und erfolgreichen Opernsängerin wurde.14 15 Dort sang sie an den Opernhäusern von Elberfeld und Kiel, aber auch in München, wo sie sich schließlich niederließ.16 Es gab begeisterte Kritiken, insbesondere für ihre Darstellung der Salome in Richard Straussens Oper Salome und der Butterfly in Giacomo Puccinis Madame Butterfly.
Während all dieser Jahre blieb Craft in Kontakt mit Eddy und sandte ihr Briefe, über deren Erhalt Eddy sich freute. 1910 schrieb Rathvon Folgendes an Craft:
Es wird Sie sicher freuen zu hören, wie beglückt Mrs. Eddy war, als ich ihr heute Nachmittag Ihren Brief überreichte. Als [sie] ihn durchlas, war ihr die Freude deutlich anzusehen, und als sie ihn mir zurückgab, trug er einen handschriftlichen Kommentar, wie ihn nur ganz wenige Briefe, die durch ihre Hand gehen, erhalten.17
Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs zwang Craft zur Rückkehr in die Vereinigten Staaten. Und obwohl sie auch weiterhin von den Kritikern viel Beifall für ihre Auftritte erhielt, so erlangte sie doch nicht mehr den Grad an Berühmtheit, den sie in Europa genossen hatte. Schließlich kehrte sie nach Deutschland zurück.18 19 20 In den 1930er Jahren zog sie sich nach Kalifornien in ihre Heimatstadt Riverside zurück. Auch im Ruhestand war sie weiterhin aktiv, indem sie die Riverside Opera Company gründete und ihre Fähigkeiten durch Unterricht weitergab. Sie verstarb im Alter von 85 Jahren.21
Marcella Crafts Begabungen und ihre Wertschätzung für die Christliche Wissenschaft halfen, Besuchern der Gottesdienste der Mutterkirche die Botschaften aus der Bibel und aus Wissenschaft und Gesundheit zu vermitteln. Auch wenn ihre Leidenschaft zu singen sie zu anderen Ufern trug, so vergaß sie doch niemals ihren Glauben, während sie ihren Opern-Traum verfolgte.
Hören Sie Women of History from the Mary Baker Eddy Library Archives [Frauen der Geschichte aus den Archiven der Mary Baker Eddy Bibliothek], eine Seekers and Scholars [Suchende und Gelehrte] Podcast-Episode mit den Bibliotheksmitarbeiter:innen Steve Graham und Dorothy Rivera (auf Englisch).
Dieser Blog steht auf unseren englischen, französischen, portugiesischen und spanischen Websites zur Verfügung.
- William B. Johnson an Mary Baker Eddy, 13. September 1898, IC001dP1.01.016.
- Hal Durian, „Marcella Craft: Talented and Crafty“ [Marcella Craft: Talentiert und clever], True Stories of Riverside and the Inland Empire [Wahre Geschichten aus Riverside und dem Inland Empire] (Vereinigte Staaten: Arcadia Publishing Incorporated, 2013); Finding aid, Marcella Craft papers [Hilfe finden, Marcella Craft Papers] (MS 071), Special Collections & University Archives, University of California, Riverside.
- Finding aid, Marcella Craft papers (MS 071).
- Granville L. Howe and William Smythe Babcock Mathews, „Charles R. Adams“, A Hundred Years of Music in America [„Charles R. Adams“, Hundert Jahre voll Musik in Amerika] (G. L. How, 1889), 218.
- William R. Rathvon, „Reminiscences of William Roedel Rathvon, C.S.B., Volume I“ [Erinnerungen von William Roedel Rathvon, CSB, Band I], 28. März 1941, 211; Mary Baker Eddy Bibliothek, „Soloists of the Mother Church“ [Solist:innen der Mutterkirche], aktualisiert Juni 2005.
- Calvin A. Frye an Albert Metcalf, 26 October 1898, L06672.
- Marcella Craft an Mary Baker Eddy, 26. Januar 1900, IC 424. 52.002.
- „Concert at Concord, N.H.“ [Konzert in Concord, N.H.], Christian Science Sentinel, 1. Februar 1900.
- Marcella Craft an Mary Baker Eddy, 4. September 1900, IC424.52.004.
- Clifford P. Smith, „As I Recall It“ [Wie ich mich recht erinnere], 1952, Erinnerung, 42.
- Mary Baker Eddy an Marcella Craft, 25. Januar 1900, L10810.
- Marcella Craft an Mary Baker Eddy, 25. Januar 1900, IC424.52.001; Marcella Craft an Mary Baker Eddy, 26. Januar 1900, IC 424. 52.002.
- William R. Rathvon, „Reminiscences of William Roedel Rathvon, C.S.B., Volume I“, 212–213.
- Finding aid, Marcella Craft papers (MS 071).
- Ednah Aiken, „Two California Songbirds in Europe“ [Zwei Kalifornien-Singvögel in Europa], Sunset, Januar 1914, 535.
- Durian, „Marcella Craft: Talented and Crafty“, 535.
- William R. Rathvon an Marcella Craft, 4. Januar 1910, L13990.
- „Marcella Craft, Gifted Soprano, Los Angeles Artist“ [Marcella Craft, begabte Sopranistin, Künstlerin aus Los Angeles], Los Angeles Herald, 6. November 1914, 17.
- „Marcella Craft Again Delights Worcester“ [Marcella Craft begeistert erneut Worcester], The Musical Leader, 25. Mai 1922, 502.
- „Marcella Craft Triumphs in Three Cities“ [Marcella Craft triumphiert in drei Städten] (Ankündigung), The Musical Leader, 12. Januar 1922, 34.
- Finding aid, Marcella Craft papers (MS 071).