Wie ging die Mutterkirche auf die Rassenunruhen der 1960er-Jahre ein?
Die Demonstrationen, die auf den Tod George Floyds und auf den anderer schwarzer US-Amerikaner folgten, werden mit den Unruhen verglichen, die die Vereinigten Staaten in den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts erschütterten. Obwohl die beiden Zeiträume und ihre Protestbewegungen selbstverständlich nicht gleichzusetzen sind, haben wir uns dennoch gefragt, wie die Mutterkirche (Die Erste Kirche Christi, Wissenschaftler) auf die Rassenproteste, die den Aufruhr in den 60er-Jahren begleiteten, reagiert hat. Die Mutterkirche mit ihrem Hauptsitz in Bostons „Problembezirk“, wie das Viertel damals oft bezeichnet wurde, befand sich im Brennpunkt der Aktionen, des Konflikts und der Forderungen nach Gleichstellung.
Damals wie heute bietet der Christian Science Monitor durch seine Berichterstattung, Leitartikel und Stellungnahmen den sichtbarsten Beweis, dass sich die Kirche mit Rassismus und Ungerechtigkeit auseinandersetzt und Lösungswege aufzeigt. Der Journalist des Monitors Howard James gewann 1968 den Pulitzer-Preis für seine Berichterstattung über nationale Angelegenheiten; sein Bericht „Crisis in the Courts“ [Krise in den Gerichtssälen] befasste sich eingehend mit Fragen der Gerechtigkeit und Gleichstellung, die nach wie vor relevant sind.1 Tatsächlich wies der Autor einer Kolumne in den Bangor Daily News aus Maine im Juni 2020 darauf hin, dass einiges aus der Berichterstattung des Monitors aus den frühen 60er-Jahren heutzutage viel zu vertraut klingt:
Mein Vater, Robert C. Nelson, ein Korrespondent des Christian Science Monitors, berichtete über die Schritte zur Integration an der Ole Miss [University of Mississippi]. Seine Berichterstattung aus der damaligen Zeit gibt mir eine Perspektive im Zeitalter George Floyds und den weltweiten Protesten als Reaktion auf seinen Tod … Vater war Zeuge der Vorgänge und schrieb darüber … Die einleitenden Sätze seines Artikels, geschrieben am 30. September 1962, klingen aktuell: „All die Hässlichkeit eines losgelassenen Mobs brodelte um das entschlossene, historische, finale Unterfangen, einen Neger [sic] an der Universität von Mississippi einzuschreiben.“2
Um die Wechselbeziehung der Afroamerikaner mit der Mutterkirche während der Rassenunruhen in den 1960er-Jahren zu verstehen, bedarf es eines Blicks weiter zurück in die Geschichte der Christlichen Wissenschaft.
Im Jahr 1879 beschlossen Mary Baker Eddy und eine kleine Gruppe ihrer Schüler*innen, „Eine Kirche zu gründen, die dazu bestimmt ist, die Worte und Werke unseres Meisters in Erinnerung zu bringen, um dadurch das ursprüngliche Christentum und sein verloren gegangenes Element des Heilens wieder einzusetzen.“3 Kürzlich wurde im Rahmen der Mary Baker Eddy Papers die früheste bekannte Korrespondenz Eddys über Heilungen unter Afroamerikanern veröffentlicht, datiert auf das Jahr 1881. Schon sehr früh (in den 1890er-Jahren und um die Jahrhundertwende) waren unter den Anhängern und Mitgliedern der Mutterkirche auch Schwarze. So wurde zum Beispiel Leonard Perry Jr. aus Washington, D. C., im November 1900 Mitglied der Kirche und wurde im Jahr 1906 erstmals im Christian Science Journal als Praktiker geführt. Er diente der Bewegung bis zu seinem Weitergehen im Jahr 1949. Ein Heilungszeugnis einer schwarzen Christlichen Wissenschaftlerin, Marietta Webb, wurde in „Früchte“, dem abschließenden Kapitel von Eddys Buch Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, mit aufgenommen.4 In einem Artikel im Christian Science Sentinel schrieb Webb 1899 Folgendes:
… Ich glaube tief und fest, dass [die Christliche Wissenschaft] die einzige Rettung meiner Rasse, der Afroamerikaner, sein kann und dass sie das Vorurteil beseitigen wird, das in diesen ganzen Vereinigten Staaten besteht; denn ganz gleich, wohin wir gehen, bringt man uns dazu, unsere Hautfarbe zu spüren.
Aber mit der weiten und schnellen Ausbreitung der Christlichen Wissenschaft lernt der Mensch nicht nur, was die wahre Liebe Gottes ist, indem er die ganze Menschheit liebt, sondern er verlässt sein altes vorurteilsbehaftetes Selbst und kommt zum geistigen Sinn von der Einheit des Menschen mit Gott.5
Im frühen 20. Jahrhundert ließ man schwarze Christliche Wissenschaftler*innen verstärkt „ihre Hautfarbe spüren“. Der gemeinsame Kirchenbesuch schwarzer und weißer Menschen sowie der Zugang zu Mitgliedschaft und zu Führungspositionen führte in manchen Gegenden zu Auseinandersetzungen. Christlich-wissenschaftliche Zweigkirchen sind Laienorganisationen ohne geweihte Geistliche; rassistische Verfügungen variierten von Ort zu Ort. Diese Debatten waren nicht auf den Süden beschränkt, sie wurden auch im Mittleren Westen und später in Kalifornien geführt.
Im Jahr 1919 bildete der Vorstand der Christlichen Wissenschaft das sogenannte „Committee on General Welfare“ [Komitee für das allgemeine Wohl], um eine gewisse Anzahl an Vorfällen zu untersuchen.6 In dessen umfassenden Bericht aus dem Jahr 1920 heißt es:
F: Sollte es Rassentrennung in den Kirchen der Christlichen Wissenschaft geben?
A: Das Komitee glaubt, dass die „Rassenfrage“ allmählich eine Lösung auf der Basis der Christlichen Wissenschaft finden wird und dass sich die Menschheit im Schmelztiegel befindet, in dem Menschen aller Hautfarben geläutert und erneuert werden, bis ihre falsche Persönlichkeit, offenbart in Farbe und nationalen Vorurteilen, vergeht. Da diese Frage äußerst komplex ist, muss sie notwendigerweise mit Mut, Hoffnung und Liebe angegangen werden. Gegenwärtig sollten zweifellos die üblichen Gepflogenheiten, Bedingungen und das Umfeld ein gewisses Maß an Berücksichtigung erfahren. Was in der einen Gemeinde wünschenswert sein mag, mag in einer anderen völlig unerwünscht sein, sodass die Rassentrennung oder die Vermischung farbiger Menschen in den Kirchen der Christlichen Wissenschaft eine Frage lokaler Selbstbestimmung sein muss. Wenn beide, der weiße Mann und sein dunkelhäutigerer Bruder, genug von der Christlichen Wissenschaft verstehen, wird ihr naturgegebener Unterschied verschwinden. Im Ausarbeiten dieser Demonstration müssen alle wohltätig, selbstlos, langmütig und freundlichen Wesens sein. An Orten, an denen sich farbige Menschen üblicherweise nicht mit weißen mischen, können sie nicht durchgängig eine sofortige Änderung einer solch langen Gewohnheit erwarten, aber es scheint so, dass Geduld und die Demonstration höherer und besserer Qualitäten des Charakters bedeutender sind als die Korrektur sozialer Ungleichheiten.7
Das Eintreten für die „lokale Selbstbestimmung“ trug der demokratischen Selbstregierung der Zweigkirchen Rechnung. Doch im Jahr 1922, nur wenige Jahre nach diesem Bericht, war es die Mutterkirche, die – durch das Verzeichnis im Journal – damit begann, die nähere Bezeichnung farbig zu benutzen, um die Namen schwarzer Praktiker*innen der Christlichen Wissenschaft und Pfleger*innen in der Christlichen Wissenschaft zu kennzeichnen, wie auch Zweigkirchen, die vorwiegend schwarz waren. Diese Vorgehensweise sollte bis 1956 andauern.
Der Historiker Thomas Johnsen erklärt das „Aufdämmern der institutionalisierten Rassentrennung“: „Die große Migration der Afroamerikaner aus dem Süden in den 1920er-Jahren führte zu einem substantiellen Einfluss neuer Bekehrter in den Städten des Nordens und Westens, aber diese wachsende Zahl rief wachsenden Widerstand in Teilen der Mitgliedschaft der Kirchen [der Christlichen Wissenschaft] hervor.“8
Lokale Gegebenheiten spielten dabei ebenfalls eine Rolle. Johnsen führt dieses Beispiel an:
Annie Julia Roberts … wurde 1862 in Mississippi in die Sklaverei hineingeboren und wurde in den frühen 1900er-Jahren Mitglied der lokalen Kirchengemeinde der Christlichen Wissenschaft in Prescott, Arizona. Sie diente mehr als zwanzig Jahre als Praktikerin der Christlichen Wissenschaft. In einem ungewöhnlichen Nachruf im Jahr 1945 berichtete die Zeitung in Prescott, dass sowohl Weiße als auch Schwarze in der Umgebung ihre Hilfe im Heilungsdienst gesucht hatten. Mit dem Hinweis auf die Zuneigung, die zwischen Roberts und dem Rest der hauptsächlich weißen Kirchengemeinde bestand, zeigte der Nachruf ein Leben auf, das wacher und umfassender gelebt wurde, als es die Beschränkungen, die die Gesellschaft den Menschen aufbürdete, zuließen.9
Lulu M. Knight aus Chicago wurde 1943 die erste Lehrerin der Christlichen Wissenschaft afrikanischer Abstammung. 1950 hatte dann das Ebony-Magazin [eine monatlich erscheinende Zeitschrift, die Themen der afro-amerikanischen Kultur gewidmet ist] über eine Situation in der Kirche berichtet, die heikel und unhaltbar war:
Im Süden hält sich die Kirche an bestehende Gepflogenheiten und Staatsgesetze, die das Vermischen der Rassen verhindern, aber in Washington, D. C., besuchen Neger [sic] und Weiße dieselben Kirchen. In Birmingham, Alabama, trafen sich Neger [sic] und weiße Mitglieder der Kirche gemeinsam, aber jetzt halten sie aufgrund des verstärkten Eintretens städtischer Beamter für Rassentrennung separate Versammlungen ab. Die beiden Gruppen würden sich lieber gemeinsam treffen, aber das „Gesetz“ [die Polizei] zwingt sie zur Befolgung von Jim Crow … 10
Mit den 60er-Jahren begannen sich Veränderungen zu zeigen. Knight trat im Rahmen des Programms der Jahresversammlung der Mutterkirche im Jahr 1961 auf. Sie las Heilungsberichte vor, die ein wichtiger Bestandteil dieser Zusammenkunft waren.11
Die religiösen Zeitschriften veröffentlichten Artikel, die das wachsende Bewusstsein für Rassismus widerspiegelten. Verfasser*innen berichteten von Heilungen und Siegen über Diskriminierung in vielen Situationen, wie beispielsweise in dem Artikel „Spiritual Dominion“ [Geistige Herrschaft] von Cora J. Gibson.12 In den 1960er und 1970er-Jahren berichteten einige Verfasser*innen über ihre eigenen Erfahrungen mit Rassismus in den Kirchen und wie sie sich damit auseinandergesetzt hatten – siehe zum Beispiel „Healing Racism: An Interview“ [Rassismus heilen: Ein Interview] in der November-Ausgabe des Journals 1978. (Weiteres zu diesem Thema finden Sie mit der Suchfunktion auf der Website JSH-Online, die ein Stichwortverzeichnis der Zeitschriften der Kirche von 1883 bis heute enthält und Schlagworte wie race, racial, discrimination, prejudice, Negro, Afro-American, ghetto, inner city und ähnliche Begriffe führt. Alternativ lässt sich auch die deutschsprachige Monatsschrift Der Herold der Christlichen Wissenschaft nach entsprechenden Schlagworten zu diesem Thema durchsuchen.) Diese Artikel und Heilungszeugnisse kamen aus dem gesamten christlich-wissenschaftlichen Feld. Zeitgleich gewann die Christliche Wissenschaft eine gefestigtere Stellung in Subsahara-Afrika, was die Mitgliedschaft der Kirche zusätzlich veränderte und vielfältiger werden ließ. Der Monitor berichtete ausführlich über die Unabhängigkeitsbewegungen auf diesem Kontinent.
Die Watts-Unruhen des Jahres 1965 und der „Lange heiße Sommer“ im Jahr 1967 forderten die Vereinigten Staaten heraus, einschließlich der religiösen Gemeinschaften. Aber einige der profundesten Forderungen an die Mutterkirche, auf Rassismus einzugehen, kamen aus dem lokalen Umfeld. Nachdem der Bürgerrechtsführer Martin Luther King Jr. am 4. April 1968 ermordet worden war, brachen Unruhen im ganzen Land aus, die sich in Wellen von Trauer, Zorn und Verzweiflung zeigten. Die Stadt Boston wurde erschüttert, blieb in den Tagen danach aber dennoch ziemlich friedlich.13 Wie viele Gotteshäuser hielt die Mutterkirche am 9. April einen Gedächtnisgottesdienst in ihrem Erweiterungsbau ab, gewidmet dem Gedenken „an das Leben und den Beitrag des Pastors Doktor Martin Luther King Jr., Nobelpreisträger und Führer dieser nationalen Bewegung zum Frieden und der gleichen Rechte aller Menschen“ (der Gottesdienst beginnt bei 13:40 im oben eingefügten Link [in englischer Sprache]). Das Lied, das die Versammlung eröffnete, beinhaltete diese Worte:
Kommt, ihr Bekümmerten, wo ihr auch schmachtet,
Hier Heil und Liebe sind, hier Friede weilt.
Bringt euer wundes Herz, so lang verachtet:
Es gibt kein Leiden, das Liebe nicht heilt.14
Bei der Jahresversammlung am 2. Juni 1969 bestand das aus 15 Mitgliedern bestehende „Metropolitan Boston Committee of Black Churchmen“ [Komitee schwarzer Kirchenmänner der Stadt Boston] darauf, eine Liste von Forderungen vorzutragen – u. a. finanzielle Forderungen, eine finanzielle Rechenschaft der Kirche, die Übertragung von Kircheneigentum in einem schwarzen Wohnviertel an die schwarze Gemeinde und eine Höherstufung schwarzer Angestellter.15 „Höflicher Beifall“ folgte auf die Erklärung des Komitees. Doch der Monitor veröffentlichte einige Tage später eine Stellungnahme des Vorstands zu den Forderungen, in der der Vorstand jegliche Forderung der Gruppe ablehnte.16
Bei einem Treffen für die Mitglieder zwei Tage später, am 4. Juni, konzentrierte sich das Thema „Facing the Great Challenges“ [Sich den großen Herausforderungen stellen] auf „drei Gebiete: Gesetz, Ordnung und Gerechtigkeit; die Jugend verstehen; und Brüderlichkeit und Harmonie unter Menschen aller Hautfarben“.17 Bei der Darlegung dieser Punkte bemerkte der Moderator des Treffens, dass „jede dieser drei Herausforderungen von den politischen Führern als eine Sinnkrise – ‚eine Krise des Geistes‘ – bezeichnet worden sei“. Reporter des Monitors interviewten Vordenker zu den drei Hauptthemen. Es folgten dann Ansprachen von Christlichen Wissenschaftlern. Der Film dieser Veranstaltung wurde an die Zweigkirchen weitergegeben, um ihn gemeinsam anzusehen (der Teil über „brotherhood and racial harmony“ [Brüderlichkeit und Harmonie unter Menschen aller Hautfarben] startet bei 52:20 in dem oben aufgeführten Link [in englischer Sprache]). In seiner Ansprache sagte Alton A. Davis, ein schwarzes Mitglied: „Das ist das Problem heutzutage: nicht wie die Welt, sondern wie wir uns gegenseitig beurteilen.“ Er fragte:
Wenn Sie … merkten, dass Sie einen schwarzen Nachbarn hätten – läge Ihre Welt dann in Trümmern? Wenn Ihre kleine Tochter von der Schule nach Hause käme und Ihnen erzählte, dass ein schwarzer Junge und ein schwarzes Mädchen in ihrer Schule angemeldet worden seien – läge Ihre Welt dann in Trümmern? Wenn solche Ereignisse Ihre Welt in Trümmer legen, dann ist Ihre Welt lediglich Ihr eigenes enges Konzept Ihrer Mitmenschen … Wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben, dass es die Passivität der Christen ist, die für die Fortdauer der Unruhen in der Welt verantwortlich zu machen ist. Christliche Passivität ist das Verbrechen des Jahrhunderts. Brüderlichkeit ist nicht die Abwesenheit von Hass, es ist die aktive Gegenwart der Liebe. Die Haltung der Christlichen Wissenschaft auf dem Weg, dieses große Übel, die Disharmonie zwischen Menschen unterschiedlicher Hautfarbe, in den Griff zu bekommen, ist lebendig in der Geschichte von David und Goliat verdeutlicht. Zahlenmäßig ist die Christliche Wissenschaft vielleicht eine der kleinsten der großen Religionen der Welt; doch tritt die Christliche Wissenschaft, wie David, vor, um mit einem gewaltigen Riesen zu kämpfen, der durch Heuchelei, Hass, Rassenvorurteile, Fanatismus, durch „die bösen Geister in den himmlischen Regionen“ in Stellung gebracht wurde. Und wie David können Christliche Wissenschaftler*innen die geistigen Steine sammeln, mit denen dieser Riese erlegt wird. Diese Steine sind die Qualitäten des Christus, der Wahrheit: Geduld, Demut, Freundlichkeit, Verständnis, brüderliche Liebe. Mrs. Eddy sagt: „Keine Macht kann der göttlichen Liebe widerstehen.” Christliche Wissenschaftler*innen müssen vom geistigen Bewusstsein regiert werden und die Kritik der Welt ertragen. Sie müssen hinausgehen und sich absondern18.
Der Bau des christlich-wissenschaftlichen Kirchenzentrums begann 1966.19 Die Mutterkirche erweiterte die Grundfläche für ihren Hauptsitz, indem sie ihr eigenes Verwaltungsgebäude, benachbarte Gewerbeflächen in der Massachusetts und Huntington Avenue, wie auch über 500 Wohneinheiten abriss. Die Vertreibung der Anwohner, darunter auch Afroamerikaner, und ihre Umsiedlung war kontrovers und wurde intensiv von der städtischen Presse behandelt. Die Kirche bot finanzielle Hilfe an wie auch Hilfe bei der Umsiedlung. Aber das deutlichste Zeichen ihres Engagements, den Bostonern ein neues Zuhause zu bieten, war der Bau der in Privatbesitz befindlichen Church Park Apartments gegenüber der Kirche in der Massachusetts Avenue – zu jener Zeit das größte Wohngebäude der Stadt, das Wohnungen speziell Mietern mit geringem Einkommen vorbehielt.
Beim Bau des christlich-wissenschaftlichen Kirchenzentrums wurden Tausende von Arbeitern beschäftigt. Die Kirche entwickelte ein Ausbildungsprogramm mit einigen der Auftragnehmer, um Jugendliche aus gesellschaftlichen Minderheiten in Handwerksberufen auszubilden.20
Im August 1969 versammelten sich Studierende und Universitätsangehörige der Christlichen Wissenschaft zu einem alle zwei Jahre stattfindenden Hochschultreffen mit dem Thema „Building in a Revolutionary Period“ [Bauen in einer revolutionären Epoche].21 Die Studierenden hatten eine erweiterte Rolle bei der Planung und Durchführung der Gesprächsrunden übernommen, die sich über mehrere Tage erstreckten. Fragen zu verantwortungsbewusstem Widerspruch gegen den Militärdienst, zum Gebrauch der „Pille“ zwecks Empfängnisverhütung und ihre Vereinbarkeit mit den Lehren ihrer Religion, wie auch Fragen zur Rassengleichheit wurden in studentengeführten Runden und in einem Treffen mit den Vorstandsmitgliedern ausführlich besprochen. Ein Teilnehmer erinnerte sich an das Zustimmen der Vorstandsmitglieder, dass „Rassenfragen“ und die damit verbundene fortgesetzte Rassentrennung in den Zweigkirchen, besonders im Süden der USA, der Aufmerksamkeit bedurften.
Der Vorstand veröffentlichte „Healing Racial Divisions“ [Spaltungen, verursacht durch Rassismus, heilen] in der Juli-Ausgabe des Journals von 1971, eine Stellungnahme, die die Leserschaft daran erinnert, dass es „mehr als vagen guten Willen“ braucht, um das Klima des Rassismus anzugehen. Am Ende heißt es:
In der aktuellen Krise zwischen Menschen unterschiedlicher Hautfarbe nützt es nichts zu sagen: „Das ist nicht mein Problem. Ich bin nicht rassistisch. Ich kümmere mich um meine eigenen Angelegenheiten. Ich bin freundlich zu Menschen, die eine andere Hautfarbe haben als ich. Ist das nicht genug?“ Die Antwort eines Christlichen Wissenschaftlers lautet: Nein! Nichts weniger als die Heilung des Problems ist genug. Es zu heilen bedarf eines Gebets, das die Universalität der Liebe Gottes anerkennt sowie eine individuelle Einstellung in Übereinstimmung mit dieser Liebe.22
Die Reaktion der Mutterkirche auf die Rassenunruhen in den 1960er-Jahren zeigte, wie weit die Kirche gekommen war – und wie weit sie noch gehen musste. Die frühere Kennzeichnung der Praktiker*innen, Pfleger*innen und Zweigkirchen als farbig hatte diese mehr als 30 Jahre lang offiziell ausgegrenzt. Und Einstellungen zum Thema „Rasse“, die „Farbenblindheit“ einschlossen, hatten dazu geführt, Afroamerikaner unsichtbar werden zu lassen, weil versäumt wurde anzuerkennen, wie sich ihre Erfahrung von der der Weißen unterschied. Im Gegensatz dazu waren Marietta Webb, Alton Davis und andere bemüht, die Beziehung zwischen Weißen und Schwarzen zu erheben, indem sie das Anerkennen der geistigen Wahrheit mit dem Ruf nach individueller und kollektiver Erlösung verbanden. Diese Aufrufe forderten die Christlichen Wissenschaftler*innen heraus – und fordern sie auch heute noch heraus –, zur „Heilung der Völker“ beizutragen, indem sie praktizieren, was sie predigen.23
- https://www.pulitzer.org/winners/howard-james, aufgerufen am 24. Juni 2020.
- Todd R. Nelson, „My dad’s 1962 reporting echoes through today’s protests“ [Der Bericht meines Vaters aus dem Jahr 1962 klingt in den Protesten von heute nach], 5. Juni 2020, https://bangordailynews.com/2020/06/05/opinion/contributors/my-dads-1962-reporting-echoes-through-todays-protests/, aufgerufen am 24. Juni 2020.
- Mary Baker Eddy, Handbuch Der Mutterkirche, 17.
- Mary Baker Eddy, Wissenschaft und Gesundheit mit Schlüssel zur Heiligen Schrift, „Ein bemerkenswerter Fall“, 611–613.
- Marietta Webb, „The Protecting Power of Truth“ [Die schützende Macht der Wahrheit], Christian Science Sentinel, 23. September 1899, https://sentinel.christianscience.com/shared/view/2kv1sm325u6?s=t, aufgerufen am 24. Juni 2020.
- „Annual Meeting of The Mother Church“ [Jahresversammlung der Mutterkirche], Sentinel, 14. Juni 1919.
- „Report to the members of The Mother Church of the Committee on General Welfare“ [Bericht an die Mitglieder der Mutterkirche des Komitees für die allgemeine Wohlfahrt] (New York: Federal Printing Company, 1920), 19–20.
- Thomas Johnsen, „Christian Science“ [Christliche Wissenschaft], American Religious History: Belief and Society Through Time [Amerikanische Religionsgeschichte: Glaube und Gesellschaft im Laufe der Zeit], Hrsg. Gary Scott Smith (Santa Barbara, California: ABC-CLIO, 2020).
- Ebd.
- „Christian Science“ [Christliche Wissenschaft], Ebony, November 1950, 60.
- „Annual Meeting of The Mother Church“ [Die Jahresversammlung der Mutterkirche], The Christian Science Journal, Juli 1961, 353, https://journal.christianscience.com/shared/view/kz0tvblseg?s=t” target=.
- Cora J. Gibson, „Spiritual Dominion“, Sentinel, 8. April 1972.
- Alan Lupo, „Tension, but Self-Control“ [Spannung, aber Selbstkontrolle], The Boston Globe, 6. April 1968, 1.
- Thomas Moore und Thomas Hastings, Liederbuch der Christlichen Wissenschaft, Nr. 40, Adaption und Übersetzung © CSBD.
- „Black Demands in Boston“ [Die Forderungen Schwarzer in Boston], Newsweek, 16. Juni 1969, 88.
- „Church replies to demands“ [Kirche antwortet auf Forderungen], Monitor, 9. Juni 1969, 5.
- Kirchenarchiv, Mary Baker Eddy Bibliothek, Medien-Archiv Produktbeschreibung, nicht datiert.
- Mary Baker Eddy, Wissenschaft und Gesundheit, 451.
- „Church Center Progress“ [Fortschritt des Kirchenzentrums], Sentinel, 17. Dezember 1966, 2224–2225
- „Minority Employment and Training: Church Center Construction Project“ [Einstellung und Ausbildung von Minderheiten: Das Bauprojekt des Kirchenzentrums], 16. November 1970, Kirchenarchiv, Box 37963, Ordner 161080.
- „The 1969 Biennial College Meeting“ [Das zweijährliche Hochschultreffen 1969], Sentinel, 15. November 1969, 2018–2019.
- The Christian Science Board of Directors, „Healing Racial Divisions“ [Der Vorstand der Christlichen Wissenschaft, „Spaltungen, verursacht durch Rassismus, heilen“], Journal, 10. Juli 1971.
- Offb. 22:2